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Sceen - Magazine for Digital Extravaganza #2 +++ stopp +++ unveröffentlicht (seit Anfang 2006 im Druck, angeblich) +++ stopp +++ ob und in welcher Form, wo und warum auch immer das Interview veröffentlicht wird, steht im Koran



„Full Artistic Control“ - Ein Interview von und mit den Machern von kettenvideo.de

<Teaser> Zwecks massiver unkommerzieller Vermarktung des von ihnen initiierten Kettenvideos interviewt hier der eine den anderen. Und zwar ausschließlich als Mittel zum Zweck. Auch wenn das ganze für den Denkfaulen und Lernschwachen gonzoliterarisch und No-Cinema-esque anmutet, lässt sich für den sozialdarwinistisch renommierten Rezipienten doch auf der Meta- und Subtextebene fluxkompensatorisch so einiges lernen. Dieser pädagogische Selbstfindungsgewinn und die Bereitschaft sich auf etwas Völliges einzulassen, ist eine notwendige, wenn auch keine hinreichende Bedingung, um sich mit Aussicht auf Erfolg a) zur Teilnahme am Kettenvideo zu qualifizieren und b) für immer mit diesem epischen Gesamtkunstwerk verbunden zu sein.

<S.M.D.> Damit die Leute nicht die Katze im Sack filmen, schlage ich vor, Sie stellen sich kurz vor.

<V.K.> Volker Krieger - Videot mit Leidenschaft seit 10 Jahren. Hang zum abwegigen Film. Sozialisiert durch das Kleine Fernsehspiel und die Super8-Kamera meiner Mutter.

<S.M.D.> Für diese Super8-Geräte (ich selbst besitze eine Bolex 155 Macrozoom aus den 1960er Jahren) hat Kodak übrigens vor Kurzem angekündigt, den Kodachrom 40-Film einzustellen. Ich prangere dies an dieser Stelle öffentlich an und bitte die Herrschaften, diese Entscheidung noch mal zu überdenken. Wobei wir ja eigentlich schon fast bei mir wären: Ich heiße Sascha Dornhöfer und bin ein ausgewiesener Kenner des Films an sich und im allgemeinen, wurde meinerseits sozialisiert durch einen höchsteigenen Videothekenausweis im Jahre 1982 und – wenn Sie hier schon Fernsehsendungs-Name Dropping betreiben wollen - „Kennen Sie Kino?“ Ich habe weiterhin eine hochgelobte Dr.-Arbeit über Anschlussfehler beim Film geschrieben und auch im Leben nie so richtig Anschluss gefunden. Diesen erbitte ich jetzt von Ihnen.

<VK> Das Kettenvideo lebt von Anschlüssen. Im Laufe seines Synapsenwachstums wird es immer mehr einem lebensähnlichen Zustand gleichen. Ist das Kettenvideo für Sie eine Möglichkeit, Ihre kinematografische Existenz zu verdinglichen?

<S.M.D.> Ja und Nein. Beides.

<VK> Genau - ich z. B. wachse mit meinen künstlerischen Objektivationen in den sozialen Raum und das Kettenvideo verbindet die Lust am Erfinden mit dem Drang zur Veröffentlichung des privaten Lebensraumes.

<S.M.D.> Und ich wachse schon nicht mehr seit ich 14 bin. Aber das hat mit meiner Kindheit zu tun. Sie selbst sind studierter Künstler und nun in der Lehre tätig. Wenn ich Ihnen nun die Frage nach „homogener Ästhetik über mediale Inhalte hinweg“ stellen würde, könnten Sie die in Ihrer Position unparteiisch beantworten?

<VK> Als Kunstpädagoge freue ich mich über jede nicht verlangte Kleckserei meiner Schüler - so ist es auch beim Kettenvideo! Es fällt mir also schwer, parteiisch zu sein und ich habe größtes Vergnügen daran, dem didaktisch-methodischen Betrieb in den Hintern zu treten. Eine homogene Ästhetik, an der potentiell Hunderte von Videoten stricken, ist undenkbar - also ist das Kettenvideo über jeden Bürstenschnitt erhaben!

Gegenfrage: Zwischen drei und vierzig Sekunden liegt die Ewigkeit. Gilt das auch fürs Kettenvideo?

<S.M.D.> So gesehen und davon ausgehend, dass es sich hier auch wirklich um ein Axiom handelt: UNBEDINGT!

<VK> Wer darf wie lange?

<S.M.D.> Jeder. Ewig, aber höchstens 2 Minuten. Alle Genres. Wie im echten Leben. Somit sind - nach dem berühmten Ruthene (also halb Pole und halb Slowake) Andrijku Warhola – noch 13 Minuten Ruhm übrig. Das ist uns wichtig, weil wir nicht die Zukunft unserer Kollegen versauen wollen. Apropos „versauen“: Jugendgefährdung und Plagiate werden selbstverständlich geächtet. Außerdem sollte jeder Beitrag inhaltlich an einen bereits bestehenden anschließen.

<VK> Und jeder Filmemacher darf mehrmals fortsetzen. Das ergibt im besten Fall (da dies eine endlose Geschichte ist) zusammen genommen ein komplettes Leben im Quicktime-Format...

<S.M.D.> Damit reiht man sich dann nahtlos ein in die Tradition selbst schreibender Geschichten...Toll!

<VK> Diese haben in der Tat eine lange Tradition. Denken Sie nur an die mündlichen Fabulierungen am Herdfeuer oder die der Geschwisterkinder vorm Einschlafen. Oder an den surrealistischen Cadavre Exquisit, der sogar Zugang in die Didaktik des Deutschunterrichts gefunden hat.

Gehört das Alte Testament nicht auch dazu? Und der Koran?

<S.M.D.> Und Verbotene Liebe und Marienhof.

<VK> Und da rühren verschiedene Autoren denselben Quark, wenden den gleichen Salat, kochen eine Suppe und braten dieselbe Frikadelle. Das Kettenvideo-Projekt will nicht die Auswalzung der großen Frikadelle, aber die Vermehrung und Fraternisierung der Köche. Mit der Verminderung der Produktionskosten und mit dieser gigantischen virtuellen Tafel im Internet entsteht eine Küche, die den filmwirtschaftlichen Konkurrenzkampf ironisiert - genau wie der muntere Gen-Remix in den bisherigen Fortsetzungen.

Was meinen Sie: Muss es nicht jeden Filmemacher jucken, seinen Senf dazuzugeben?

<S.M.D.> Of Course. Und es muss auch nicht immer Dijon-Senf sein. Wichtig ist, dass mit Liebe und Leidenschaft gekocht wird und es dem Koch auch als Gast munden würde. Dann wird Ablehnung, Zensur und Maßregelung unsererseits überflüssig.

Die Frage, wie es um den Erfolg des Kettenvideos steht, nehme ich Ihnen vorweg, da Sie ja gerade unbedingt eine Zigarettenpause auf Ihrem Balkon vornehmen müssen - und antworte sogleich: Das Kettenvideo wurde bisher auf mehreren Festivals vorgestellt und kürzlich für einen renommierten Medienpreis nominiert. Ein Filmfachblatt bezeichnete es als „unschlagbar und wegweisend“ und lieferte die Begründung für den Erfolg gleich mit: „Was inspiriert, das wird fortgesetzt, alles andere verschwindet.“ Wenn Sie so wollen, ist das Kettenvideo also ein sozialdarwinistisches Spiel aller erster Kajüte. Mit Betonung auf sozial. Ich rufe jeden Menschen ausdrücklich dazu auf, sich daran zu beteiligen.

<VK> Ich danke Ihnen in meinem Namen und in meiner Funktion als Kurator von kettenvideo.de ganz herzlich für Ihren schonungslosen Seelenstrip.

<S.M.D.> Dito.